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Übersicht: AktuellesErstellt am: 28.05.2019

Grundsätzlich ist die Protonentherapie bei Patientinnen und Patienten mit inoperablen hepatozellulären Karzinom (HCC) vom Gemeinsamen Bundesausschuss bis zum 31. Dezember 2020 ausgesetzt. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Bestrahlung mit Protonen jedoch angezeigt und möglich. Dr. Danny Jazmati, Arzt am WPE, erläutert die Hintergründe und die Vorteile der Protonentherapie im Hinblick auf die Indikation HCC.

Dr. Jazmati, in welchen Fällen kommt eine Strahlentherapie bei einem HCC in Frage?
Die Operation oder die Transplantation stellen bisweilen die gesicherten kurativen Therapieoptionen für Patienten mit einem Leberkarzinom dar. Leider ist bei einem großen Anteil der Patienten die Operation aufgrund der Lage des Tumors, schwerwiegenden Begleiterkrankungen oder der eingeschränkten Leberfunktion nicht möglich. Für diese Patienten werden heute lokal ablative Therapieoptionen wie die Radiofrequenzablation oder die Transarterielle Chemoembolisation in Betracht gezogen. Da die Lebertumore sehr strahlensensibel sind, ist auch die Strahlentherapie eine gute lokale Maßnahme, die aber aufgrund der hohen Empfindlichkeit der Leber bisher eher eine untergeordnete Rolle darstellt.

Was bedeutet das genau?
Die Leber ist ein sehr strahlensensibles Organ. Da dem Leberkarzinom häufig eine Leberzirrhose vorausgeht, ist die Leberfunktion bei vielen Patienten bereits vor Beginn einer Therapie stark eingeschränkt. In der Vergangenheit war es nicht möglich, eine Dosis zu applizieren, die im Stande ist, den Tumor zu kontrollieren – ohne dabei auch die Leber zu schädigen. Mit modernen Bestrahlungstechniken ist dieses aber möglich, und es konnten bereits vielversprechende Ergebnisse publiziert werden.

Und hier greift dann die Protonentherapie?
Genau. Die Herausforderung in der Therapie des Leberkarzinoms ist es, eine ausreichend hohe Dosis auf den Tumor zu applizieren, aber dabei die nicht-betroffenen Leberanteile vor einer unnötigen Strahlenbelastung zu schützen. Die hervorragenden physikalischen Möglichkeiten der Protonentherapie ermöglichen es, das Zielvolumen mit einer hohen Dosis zu bestrahlen und dabei ein strahlensensibles, vorgeschädigtes Organ, das eventuell dem Tumor benachbart ist, großflächig zu schonen. Wir sind daher davon überzeugt, dass eine Protonenbestrahlung sowohl die Heilungschancen als auch die Lebensqualität der Betroffenen substanziell verbessern kann. Leider kann eine Protonentherapie nur an sehr wenigen Zentren in Europa angeboten werden und ist aufgrund der Beweglichkeit der Leber ausgesprochen anspruchsvoll.

Wann kommt eine Protonentherapie aus Ihrer Sicht zum Einsatz?
Für uns gibt es vor allem zwei Einsatzmöglichkeiten: Als definitive Bestrahlung der Leber, wenn kein operatives Verfahren möglich ist, oder als Überbrückung bis zur Transplantation. Die Transplantation stellt eine heilende Therapieoption dar -sowohl für den Tumor als auch für die zu Grunde liegende Leberzirrhose. Leider ist die Verfügbarkeit von Spenderorganen in Deutschland sehr eingeschränkt und die Betroffenen müssen häufig sehr lange warten. Diese Wartezeit stellt für den Patienten ein großes Risiko dar, da durch ein weiteres Tumorwachstum und einer damit verbundenen Verschlechterung der Leberfunktion am Ende die Voraussetzungen zur Transplantation teilweise nicht mehr erfüllt werden. Eine Bestrahlung soll daher in der Wartezeit den Tumor kontrollieren und die Bedingungen für eine Transplantationsfähigkeit erhalten. Die Bestrahlung kann aber auch mit anderen Therapieoptionen kombiniert werden. Es wurden bereits sehr vielversprechende Daten zur Kombination aus Bestrahlung und transarterieller Chemoembolisation veröffentlicht. Die Wahl der besten Therapiemodalität erfolgt hier in Essen natürlich im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz, in der wir gemeinsam mit unseren Kollegen aus der Inneren Medizin, Chirurgie und Radiologie jeden Fall intensiv besprechen und die Chancen und Risiken für jeden Fall individuell abwägen. Hier kommt uns bzw. den Patienten die interdisziplinäre Expertise und Struktur des Essener Lebertumor Centrums (LTC) zu Gute.

Inwieweit werden das WTZ oder die Expertinnen und Experten des UK Essen in die Therapie miteinbezogen?
Die Leber stellt ein zentrales Organ unseres menschlichen Körpers dar und ist der Protagonist vieler physiologischer Vorgänge. Die Behandlung von Lebertumoren erfordert daher sehr viel Expertise und ein interdisziplinäres Team aus Experten. Wir sind daher sehr dankbar, das Team um Prof. Heiner Wedemeyer und besonders Prof. Christian Lange aus der Gastroenterologie des Universitätsklinikums an unserer Seite zu haben, die die Patienten primär betreuen und führen und gemeinsam mit uns besprechen. Auch während der Protonentherapie werden dann die Patienten von unseren beiden Einrichtungen intensiv gemeinsam betreut. Dabei werden die Patienten nicht nur in den regelmäßigen Sprechstunden in unserem Zentrum, sondern eben auch von der Gastroenterologie gesehen und beraten. Dabei besteht ein ständiger Austausch. Ich denke, dass die Bedingungen am UK Essen wirklich exzellent sind, um unseren Patienten eine optimale Behandlung auf höchstem Niveau anbieten zu können.

Dr. Danny Jazmati ist Arzt der Klinik für Partikeltherapie am Westdeutschen Protonentherapiezentrum sowie Koordinator des Leberprogrammes am WPE. Danny Jazmati hat seinen Schwerpunkt in der Protonenbestrahlung abdomineller Tumore, insbesondere von Lebertumoren und Neuroblastomen. Er ist unter anderem Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO), der European Society for Radiotherapy & Oncology (ESTRO) und der European Society for Paediatric Oncology (SIOPE).

 


Die Klinik für Gastroenterologie versorgt überregional Patienten und bietet das gesamte Spektrum der Gastroenterologie und Hepatologie. Besondere Schwerpunkte stellen die gesamte Hepatologie inklusive des Managements des Hepatozellulären Karzinoms, der Virushepatitiden, der Leberzirrhose und ihrer Komplikationen, die Lebertransplantation, die diagnostische und therapeutische Endoskopie sowie die Therapie von Erkrankungen des Magendarmtraktes und der Bauchspeicheldrüse dar.
Im Lebertumor-Centrum (LTC) werden primäre Lebertumoren behandelt, ein Schwerpunkt ist das Hepatozelluläre Karzinom (HCC, Leberkrebs). Das Lebertumor-Centrum ist im Bereich des primären Leberkrebs deutschland- und europaweit führend in der Diagnostik und Therapie. Es werden alle Therapieverfahren von lokal-ablativen (TACE, RITA, SIRT) über operative Verfahren (Resektion, Hemihepatektomie und Lebertransplantation) bis hin zur palliativen medikamentösen Therapie auf höchstem Niveau durchgeführt. Weiterhin werden für alle Therapiemodalitäten klinische Studien angeboten, die Zugang zu neuen noch nicht zugelassenen Therapieverfahren ermöglichen.

Weiterführende Informationen zur Behandlung des hepatozellulären Karzinoms im WPE finden Sie hier.