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Übersicht: AktuellesErstellt am: 19.07.2017

Sehr junge, an Krebs erkrankte Kinder kämpfen nicht in erster Linie mit ihrer schweren Krankheit. Viel mehr bedeuten die Begleitumstände wie die notwendigen Untersuchungen im Vorfeld, Nüchternheit, die belastende Therapie und die zeitweise Trennung vom sozialen Umfeld und insbesondere den Eltern – etwa in den Bestrahlungsräumen – großen Stress. Altersabhängig ist eine Behandlung unter Narkose für sie daher manchmal hilfreich und erforderlich, um die unumgängliche Therapie sicher durchführen zu können. Das WPE arbeitet daher gezielt mit einem Team von Anästhesisten zusammen, das auf ambulante Operationen insbesondere von Kindern spezialisiert ist.

Der Anästhesist Christoph Blase (AnästhesieNetz Rhein-Ruhr) war bereits beratend an der architektonischen Planung des Anästhesiebereiches des Westdeutschen Protonentherapiezentrums Essen beteiligt. Seit Beginn der therapeutischen Bestrahlung am WPE ist er nun mit seinen Kollegen für die anästhesiologische Betreuung der narkose-, sedierungs- und überwachungspflichtigen Patienten – überwiegend Kinder – zuständig. Aufgrund der hohen Patientenzahlen sind mittlerweile regelmäßig zwei Anästhesie-Teams gleichzeitig vor Ort, „an Tagen mit parallel laufenden Untersuchungen, etwa CT oder MRT, sind wir manchmal sogar mit drei Teams im WPE vertreten“, sagt Blase.

2016 konnte das WPE bei insgesamt 161 Kindern, die sich einer Protonentherapie unterzogen, 87 durch eine Anästhesie Unterstützung für die Planung und tägliche Therapie bieten. Im ersten Halbjahr 2017 wurden bei steigendem Patientenandrang bereits 59 Kinder unter Anästhesie behandelt; zeitweilig 20 und mehr Kinder pro Tag. Zum einen werden den Kindern so die anstrengenden Untersuchungen und Behandlungen erleichtert. Die kurzzeitige, notwendige Trennung von den Eltern etwa wird durch die Anästhesie nicht als traumatisch erlebt bzw. „verschlafen“. Darüber hinaus gibt es aber auch medizinische Aspekte für eine Narkose bei jungen Patienten. Christoph Blase: „Der Vorteil der Protonentherapie liegt in ihrer großen Genauigkeit und der größtmöglichen Schonung des jungen Körpers. Diese Genauigkeit kann jedoch nur erreicht werden, wenn der Patient während der Behandlung absolut unbeweglich ist. Leider fällt es aber gerade jungen Kindern schwer, mitzuarbeiten oder beispielsweise starre Masken und andere Lagerungshilfen zu tolerieren, um über längere Zeit still zu liegen.“

Meist liegt die Altersgrenze, bei der eine Mitarbeit unmöglich bzw. eine Sedierung nötig ist, etwa bei sechs Jahren. „Es gibt auch jüngere Kinder, die bereits ohne Narkose auskommen. Und auch bei älteren stellt sich bisweilen während der Behandlung heraus, dass die Therapie für sie in Sedierung einfacher ist. Wir entscheiden hier immer individuell nach Machbarkeit.“ Die Strahlentherapeuten informieren das Anästhesie-Team bereits im Vorfeld über die jeweiligen Besonderheiten der onkologischen Situation, medizinische Begleiterkrankungen und die zu berücksichtigenden Bedingungen für die Bestrahlung, wie etwa die individuelle Lagerung. „Zudem machen wir Anästhesisten uns in einem eigenen Evaluations- und Aufklärungsgespräch gemeinsam mit den Kindern und Eltern ein genaues Bild von deren Befindlichkeiten, Vorerkrankungen und der Medikation.“

Das grundsätzliche Ziel des WPE ist klar umrissen: So wenig Narkosen wie möglich. Belastende Vollnarkosen mit Beatmung etwa sind die absolute Ausnahme. „In der Regel verabreichen wir eine tiefe Sedierungen mit der Monosubstanz Propofol mit erhaltener Spontanatmung. Viele Eltern kennen diese Prozedur von Vordiagnostiken, etwa CT- oder MRT-Untersuchungen.“ Dabei ist eine Vielzahl an physiologischen und psychosozialen Besonderheiten zu beachten. „Kinder sind nicht einfach kleinere Erwachsene.“

Hier kommt die Erfahrung des WPE den Patienten zu Gute: Kleinkinder etwa benötigen in der Regel deutlich höhere Dosen pro Körpergewicht als Jugendliche und Erwachsene. Und es gibt noch mehr zu beachten: „Insbesondere bei den krebskranken Patienten und ihrer damit und mit der Therapie verbundenen Immununterdrückung kann es zu opportunen Infektionen gerade auch im Bereich der Atemwege kommen. Das ist bei Kleinkindern ein sensibleres Problem als bei Erwachsenen und kann die Bedingungen der Anästhesiologie erschweren.“ Und nicht zuletzt ist auch die Vorbereitung der Narkose als solche bei jungen Patienten durchaus eine Herausforderung, müssen diese doch für den Eingriff beispielsweise nüchtern sein – mindestens sechs Stunden bei fester Nahrung, vier Stunden bei (Mutter-)Milch und zwei Stunden bei klaren Flüssigkeiten. Einschränkungen, die gerade jungen Patienten mitunter nur schwer zu vermitteln sind und die Eltern entsprechend vor logistische oder oftmals emotionale Herausforderungen stellen.

Im WPE wird jedes Kind daher jeweils von einem Arzt und einer Pflegekraft sowie einer zusätzlichen Pflegekraft im Aufwachraum betreut. Zudem wird insbesondere darauf geachtet, stets ein festes Anästhesieteam mit möglichst wenig kurzfristigen Personalverschiebungen zu gewährleisten, auch damit die Kinder vertraute Gesichter um sich haben. Die Narkose selbst beginnt etwa fünf Minuten vor der eigentlichen Protonenbestrahlung und dauert im Anschluss noch etwas an. Sobald die kleinen Patienten vollständig wach sind und etwas getrunken und gegessen haben, dürfen sie das Zentrum wieder verlassen. „Die Familien sind außer bei der eigentlichen Bestrahlung während des ganzen Prozesses dabei, also sowohl bei der Einleitung der Narkose als auch später im Aufwachraum. Das ist für die Kinder besonders wichtig.“

Entscheidend für einen durchweg problemlosen Ablauf einer Narkose bei Kindern sei, so Blase,  darüber hinaus vor allem eines: eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Spezialisten. „Und im WPE funktionieren die Schnittstellen mit den MTRA während der Therapie, den Strahlentherapeuten und pädiatrischen Onkologen in der Betreuung sehr gut und reibungslos.“

Anästhesist Christoph Blase
Christoph Blase absolvierte sein Studium der Humanmedizin an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und arbeitete unter anderem in der Klinik für Anästhesiologie, Schmerztherapie, Intensiv- und Notfallmedizin des St. Josef-Hospitals Bochum, Universitätsklinik der RUB. In diesem Zeitraum erwarb er die Facharztanerkennung. Klinischer Schwerpunkt seiner Tätigkeit danach war die postoperative Intensivtherapie mit wissenschaftlicher Arbeit über die Relevanz verschiedener humoraler Botenstoffe als Sepsismarker. Seit 2006 arbeitet Blase als selbstständiger Anästhesist mit Niederlassung in Dortmund und in Assoziation mit der KV-übergreifenden überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft AnästhesieNetz Rhein-Ruhr. Einer der klinischen Schwerpunkte dort: ambulante­­­­ Kinderanästhesien ab dem Säuglingsalter. Blase ist geschäftsführender Gesellschafter der AnästhesiePool Rhein-Ruhr GmbH und seit 1996 Mitglied des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI). Darüber hinaus ist er seit 2007 Mitglied im Anästhesienetz NRW, seit fünf Jahren als Vorstandsmitglied.