Das Team des WPE: Dr. Paul-Heinz Kramer, Medizinphysiker
Als hochspezialisiertes Verfahren macht die Protonentherapie im klinischen Alltag vor allem eines notwendig: Die Zusammenarbeit unterschiedlicher Professionen. Am WPE sind neben Ärzten daher auch Physiker und Medizinphysiker sowie medizinisch-technische Radiologieassistenten (MTRA) im Einsatz. Und gerade diese geschlossene Teamleistung, sagt Dr. Paul-Heinz Kramer, stellvertretender Leiter der Abteilung Medizinphysik am WPE, komme den Patientinnen und Patienten besonders zugute: „Als Medizinphysiker sind wir Partner der Ärzte.“
Er bezeichnet sich selbst als „Dinosaurier“, hat er doch den Weg in die Medizinphysik im Anschluss an ein traditionelles Diplom-Studium erst über den „Umweg“ der Hochenergiephysik genommen. „Doch irgendwann war klar, dass ich mit meinem Wissen etwas für Menschen tun möchte“, erinnert sich Kramer. Es folgten unter anderem: ein Medizinische Physik-Fernstudium, die Fachanerkennung für Medizinische Physik der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP) und die Weiterbildungsermächtigung für den Bereich Strahlentherapie. „Heute ist der Weg ein anderer, mittlerweile gibt es den Studiengang Medizinphysik für Bachelor und Master. Engen Kontakt haben wir dabei vor allem zu den dualen Studiengängen, weil die jungen Leute ihre Praxisblöcke teilweise hier bei uns am WPE absolvieren.“
Die Arbeit mit und vor allem für Menschen – „hier bei uns am WPE“ – dieser Aufgabe geht Kramer täglich nach. 2015 wechselte er nach 17 Jahren von der Radioonkologie des Essener Alfried Krupp Krankenhauses ans WPE, „tauschte“ Photonen gegen Protonen und musste feststellen: „Die Technik hier hat doch noch einmal eine ganz andere Qualität.“ Der deutlichste Vorteil der Protonen: Sie lassen sich zielgenau in den Körper steuern, stoppen in einer bestimmten Gewebetiefe und entladen erst dort die meiste Energie („Bragg Peak“). „Im Gewebe dahinter kommt so gut wie keine Strahlung mehr an; und auf dem Weg dorthin deutlich weniger, als dies etwa mit Photonen möglich wäre.“ (siehe Abbildung oben) Durch diese Zielgenauigkeit werden zugleich sehr hohe Anforderungen an uns Physiker gestellt. Denn kleinste Abweichungen, etwa durch innerkörperliche Bewegungen, müssen dadurch bei der Bestrahlungsplanung berücksichtigt werden. „Rein aus Physikersicht gesprochen ist für uns ein Gehirntumor mit Protonen besonders sicher und genau zu planen. Tumorentitäten im Kopf existieren in einem relativ unveränderlichen System. Es kommt nur darauf an, möglichst alle Areale außer dem Tumor zu schonen. Hier können wir den Vorteil der Genauigkeit exzellent ausspielen.“
Ärzte und Ärztinnen des WPE entscheiden über die individuellen Therapiemöglichkeiten und jeweiligen Dosierungen, geben jene Risikobereiche vor, die besonders geschont werden sollen. Die Medizinphysiker und -physikerinnen des WPE, sechs mit entsprechender Fachkunde sowie vier Assistenten, erarbeiten den konkreten Bestrahlungsplan und bauen das Dosisbild auf, angefangen von der Einstrahlrichtung bis hin zum genauen Stopp. „Entscheidend sind kurze Wege und dass die jeweilige Dosis stets so gering wie möglich ist.“ Auch hier punkten die Protonen: „Die integrale Dosis über das ganze Volumen gerechnet ist bei der Protonentherapie geringer als etwa bei Photonen; folglich sinkt auch das Risiko späterer Zweittumore, was insbesondere bei jungen Patienten ganz entscheidend ist.“
Anders als vielfach üblich arbeiten am WPE Medizinphysiker und Ärzte räumlich direkt zusammen – und pflegen auch auf dieser Ebene das Prinzip der kurzen Wege. Nicht zuletzt, weil die Berechnungen nicht nur kompliziert, sondern auch zeitaufwendig sind und ausnahmslos einem Vier-Augen-Prinzip und damit einer zusätzlichen Kontrolle unterliegen. „In der Protonentherapie beziehen wir Ungenauigkeiten – Bewegungen des Gewebes etwa, Verschiebungen – in die Berechnungen mit ein, streben also ein optimiertes Rechenergebnis und eine ‚robuste Planung‘ an, die solche Ungenauigkeiten auffängt. Folglich kann eine einzelne Berechnung durchaus schon einmal fünf Stunden Zeit in Anspruch nehmen; hier kann man nicht einfach so drauflos arbeiten, sondern muss in enger Abstimmung mit dem behandelnden Arzt vorgehen.“ Rund 15 Patientenfälle pro Woche werden in der Medizinphysik bearbeitet – deutlich weniger als in der herkömmlichen Strahlentherapie, „doch am WPE werden nicht nur viele Kinder vorstellig, für die die Berechnungen sehr exakt ausfallen müssen, sondern wir bekommen auch Fälle mit Diagnosen, die ich mit meinen 17 Jahren Erfahrung nie zuvor gehört habe. Fälle die hochkompliziert sind und in denen andere nicht weiterkommen“. Etwa, weil die Risikoorgane sehr nah an Tumoren liegen, sich gar überlappen, oder weil bereits eine Vorbestrahlung stattgefunden hat – „und man sollte möglichst nicht das gleiche Gewebe noch einmal durchstrahlen“.
Das technische Herz des WPE, das Zyklotron, das die Protonen über die so genannte Beam Line auf die vier Behandlungsräume, die Gantries, verteilt und Kramers Arbeit damit erst möglich macht, steht im Untergeschoss des Therapiezentrums und wird allmorgendlich von den Physikern des Hauses überprüft. Qualitätssicherung – auch das ist Aufgabe der Medizinphysik.
Das „menschliche Herz des WPE“ ergibt sich für Kramer vor allem aus der interdisziplinären Teamleistung aller Beteiligten: „Wir sind hier über 80 Leute, von der Haustechnik bis zum Arzt bzw. zur Ärztin, von der MTRA bis zum Physiker bzw. zur Physikerin. Und jede Aufgabe ist wichtig und entscheidend für unsere Patientinnen und Patienten.“ Vor allem für die jüngsten: „Ganz in der Nähe ist ein Kindergarten und manchmal hören wir die Rufe der spielenden Kinder. Und dann wird mir klar, dass es unser Job ist, den kranken Kindern, die zu uns kommen, zu helfen, sie ganz schnell wieder hier rauszukriegen, damit sie genauso draußen toben können wie die gesunden.“