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Übersicht: AktuellesErstellt am: 25.08.2021

Erstmals im Jahr 1997 aufgesetzt wurde im April dieses Jahres die sechste, aktualisierte Fassung der GPOH-Leitlinie „Langzeit-Nachsorge von krebskranken Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – Vermeiden, Erkennen und Behandeln von Spätfolgen“ verabschiedet. An der Überarbeitung beteiligt war durch Prof. Dr. Beate Timmermann auch die Klinik für Partikeltherapie am Westdeutschen Protonentherapiezentrum Essen (WPE).

Rund 2.100 Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren erkranken in Deutschland alljährlich an Krebs. Glücklicherweise besiegt laut Leitlinie der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) die überwiegende Mehrheit davon – gut 80 Prozent – auf lange Sicht ihre Krebserkrankung. Doch, so heißt es weiter: „Viele dieser Patienten sind von Spätfolgen der onkologischen Erkrankung und Therapie betroffen.“ Und genau hier setzt die Leitlinie an. Prof. Dr. Beate Timmermann: „Mit Blick auf das Langzeitüberleben müssen gerade bei Kindern und Jugendlichen, die den Großteil ihres Lebens noch vor sich haben, zur Verfügung stehende Therapieoptionen individuell und sehr sorgsam abgewogen werden. Es ist daher unerlässlich, dass wir uns als Mediziner und Wissenschaftler intensiv auch in klinischen Studien mit Nebenwirkungen und Spätfolgen auseinandersetzen – und entsprechende Nachsorge-Empfehlungen aussprechen.“

Die möglichen Spätfolgen antineoplastischer Therapien im Kindesalter können von leichten gesundheitlichen Einschränkungen wie Hormonausfällen bis hin zu schwerwiegenden Komplikationen wie beispielsweise Zweittumoren oder Herzmuskelschwäche reichen. „Im Hinblick auf eine Strahlentherapie bei jungen Menschen gilt es insbesondere die Themen Wachstum, neurokognitive Spätfolgen und Zweittumore im Blick zu behalten“, fasst Prof. Timmermann zusammen. Nach einer kranialen Bestrahlung mit höheren Dosen entwickelt ein Teil der therapierten Kinder innerhalb der nächsten zwei bis fünf Jahre beispielsweise einen Wachstumshormonmangel – und je jünger die Patienten sind, desto gravierender wirkt sich dieser aus. Die Leitlinie empfiehlt daher beispielsweise für Hirntumorpatienten eine halbjährliche Messung von Körpergröße und Gewicht, regelmäßige klinische und laborchemische Kontrollen sowie die Einbeziehung eines pädiatrischen Endokrinologen bei „Hinweisen auf eine pathologisch verminderte Wachstumsgeschwindigkeit bzw. auf eine endokrine Funktionsstörung“.

Eine Bestrahlung des Zentralnervensystems (ZNS) wiederum kann unter Umständen Folgen in der neurokognitiven Entwicklung haben. Idealerweise sollten „Großfeldbestrahlungen wie das Ganzhirn oder die kraniospinale Achse“ deshalb möglichst vermieden werden. Die Empfehlung der GPOH-Leitlinie lautet stattdessen, möglichst „kleinere Volumina mit lokalen Tumorbettbestrahlungen“ durchzuführen sowie „moderne Techniken“ zu nutzen, die gezielt die Belastung des umgebenden Normalgewebes verringern. Damit attestiert die Leitlinie nicht zuletzt den besonders schonenden Möglichkeiten der Protonentherapie weitreichende Bedeutung.

Der Beitrag von Prof. Dr. Beate Timmermann erfolgte über ein Mandat der Fachgesellschaft DEGRO (Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie) und Arbeitsgem­einschaft für pädiatrische Radioonkologie. In der Klinik für Partikeltherapie am WPE ist sie ins Westdeutsche Tumorzentrum (WTZ) und das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschforschung (DKTK) eingebunden. Für die Bearbeitung der Leitlinie zeichnen neben ihr auch die pädiatrische und internistische Onkologie am Universitätsklinikum Erlangen, das Zentrum für Kinderheilkunde am Universitätsklinikum Bonn, die Strahlentherapie der Universität Homburg-Saar, die Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie des Universitätsklinikums Münster sowie die Medizinische Klinik 1 und die pädiatrische Onkologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein/Campus Lübeck verantwortlich.

Die GPOH-Leitlinie „Langzeit-Nachsorge von krebskranken Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – Vermeiden, Erkennen und Behandeln von Spätfolgen“ war zuletzt 2013 überarbeitet worden; die nächste Aktualisierung steht für das Jahr 2026 an. Die Leitlinie kann in ihrer aktuellen, sechsten Fassung auf den Seiten des Netzwerks der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) als PDF-Datei geladen werden.