
Artikel zur Kinderanästhesie im Rahmen der Strahlentherapie
Die Strahlentherapie bei Kindern stellt aufgrund der notwendigen Immobilität während der Behandlung besondere Herausforderungen dar, insbesondere bei sehr jungen Patienten. Um eine präzise und sichere Durchführung zu gewährleisten, kommt häufig eine Sedierung oder Anästhesie zum Einsatz, die speziell auf die Bedürfnisse der kleinen Patienten abgestimmt ist. Expert:innen des WPE haben ihre Erfahrungen in der Fachzeitschrift „Journal Onkologie“ beschrieben.
Kinderanästhesie in der Strahlentherapie
Die Strahlentherapie hat sich in der pädiatrischen Onkologie stark weiterentwickelt und ist ein zentraler Bestandteil der Behandlung vieler Tumorerkrankungen. Dank moderner Techniken wie der Protonentherapie kann die Bestrahlung präziser und schonender erfolgen. Während früher großflächige Bestrahlungen üblich waren, werden heute gezielt Tumorregionen behandelt, um Spätfolgen zu minimieren. Da kleine Kinder oft nicht in der Lage sind, während der Bestrahlung ruhig zu bleiben, sind Anästhesie- oder Sedierungsverfahren notwendig. Diese erfordern spezielles Fachwissen, da sich Kinder in ihrer Pharmakokinetik und Organfunktion stark von Erwachsenen unterscheiden. Zudem müssen psychosoziale Belastungen und Risiken, insbesondere bei immunsupprimierten Kindern, berücksichtigt werden. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist entscheidend, um eine sichere und kindgerechte Behandlung zu gewährleisten.
Anästhesieverfahren und Indikationen
Es gibt verschiedene Anästhesieverfahren:
- Vollnarkose
- Analgosedierung und
- tiefe Sedierung.
Während die Vollnarkose eine Beatmung erfordert, sorgt die tiefe Sedierung für Bewegungsruhe bei erhaltener Spontanatmung. Für die Strahlentherapie reicht meist eine tiefe Sedierung mit Propofol, das sich durch eine schnelle Wirkung und geringe Nebenwirkungen auszeichnet. In speziellen Fällen, wie bei Bestrahlungen im Augenbereich, kann eine zusätzliche Muskelrelaxation notwendig sein, die eine kontrollierte Beatmung erfordert.
Die Entscheidung über eine Anästhesie in der pädiatrischen Strahlentherapie wird individuell von einem interdisziplinären Team getroffen. Wichtige Faktoren sind das Alter, Temperament und die medizinische Verfassung des Kindes sowie die Art und Dauer der Behandlung. Kinder, die bereits eine MRT-Untersuchung ohne Sedierung toleriert haben, benötigen oft auch bei der Strahlentherapie keine Anästhesie. Die enge Zusammenarbeit zwischen Strahlentherapeut:innen, Anästhesist:innen, Onkolog:innen und psychosozialen Fachkräften stellt eine sichere und kindgerechte Behandlung sicher.
Ablauf der Anästhesie
Die Anästhesie bei der Strahlentherapie erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und eine interdisziplinäre Planung. Das Anästhesieverfahren wird individuell festgelegt und mit der Familie besprochen. Die tägliche Anästhesie erfolgt nach festen Abläufen, um Sicherheit und Verlässlichkeit zu bieten. Die Kinder müssen nüchtern erscheinen, um das Aspirationsrisiko zu minimieren. Die Sedierung wird in der Regel mit Propofol durchgeführt. Während der Bestrahlung werden die Vitalfunktionen aus dem Kontrollraum überwacht. Nach der Behandlung wachen die Kinder im Beisein ihrer Eltern auf und können das Zentrum nach kurzer Beobachtung verlassen.
Herausforderungen ergeben sich durch die Nüchternzeiten, die klinische Umgebung und mögliche Nebenwirkungen wie Schlafstörungen oder Gewichtsverlust. In manchen Fällen sind aufgrund von Therapieprotokollen zwei tägliche Sedierungen notwendig. Infektionen und Atemwegsprobleme können die Anästhesie zusätzlich erschweren. Ein erfahrenes Team und engmaschiges Monitoring sorgen für eine sichere Durchführung und schnelle Interventionen bei Komplikationen.
Kinderanästhesie am WPE
Das Westdeutsche Protonentherapiezentrum Essen (WPE) ist eine der führenden Einrichtungen für pädiatrische Strahlentherapie und behandelt jährlich etwa 300 Kinder, viele davon unter sieben Jahren. Ein erfahrenes Anästhesieteam betreut die Kinder individuell und interdisziplinär, wobei eine Sedierung nur bei Bedarf erfolgt. Großer Wert wird hierbei auf die Kontinuität im Betreuungsteam gelegt. Der Psychosoziale Dienst unterstützt die Familien spielerisch, um die Behandlung angenehmer zu gestalten. Zudem verfolgt das WPE das Konzept des „Healing Environment“. Neben der medizinischen Versorgung kommt einer kindgerechten Atmosphäre eine hohe Bedeutung zu. Die Anästhesieräume sind in fantasievolle Themenwelten wie Dschungel, Unterwasserwelt oder Weltraum gestaltet.
Fazit
Für eine erfolgreiche Strahlentherapie müssen die Patientin oder der Patient während der gesamten Behandlungsdauer unbewegt liegen. Da kleine Kinder oft nicht in der Lage sind, während der Strahlentherapie stillzuhalten, ist eine tiefe Sedierung in vielen Fällen erforderlich, während eine Vollnarkose nur selten nötig ist. Die ambulante Durchführung und enge interdisziplinäre Begleitung minimieren die Belastung für die Kinder und ihre Familien.
Journal Onkologie
Der Artikel wurde in der Fachzeitschrift „Journal Onkologie“ veröffentlicht.
Anästhesien im WPE
Täglich werden 20-30 Kinder in Sedierung im WPE behandelt. Dies waren bisher fast 1.500 junge Patient:innen, wobei jedes Kind im Schnitt 30 Tage jeden Tag diese leichte Form der Anästhesie benötigten.

Neu gestaltete Anästhesieräume
Dank einer Spende konnten die Anästhesieräume im WPE neu gestaltetet werden.

2000. Behandlung eines Kindes
2000 Kinder wurden im WPE innerhalb der ersten 10 Jahre behandelt.
Pressekontakt
Westdeutsches Protonentherapiezentrum Essen (WPE)
Medizinische Leiterin: Prof. Dr. med. Beate Timmermann
Hufelandstraße 55
45147 Essen
Redaktion: Dr. Stefanie Schulze Schleithoff und Liane Ohlms, Tel. 0201-723-6600, E-Mail schreiben