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Übersicht: AktuellesErstellt am: 24.02.2021

Sechs Wochen dauert die ambulante Behandlung am Westdeutschen Protonentherapiezentrum in der Regel. Sechs Wochen, die für die Patientinnen und Patienten des WPE nicht nur körperlich anstrengend sind, sondern vielfach auch Auswirkungen auf ihre psychische Verfassung haben: Unsicherheit und Sorgen prägen vielfach den Alltag der Betroffenen. Angst vor dem Krebs, aber auch Unsicherheiten in Bezug auf die Therapie, vor anstrengenden Untersuchungen, einem fremden Team und der eigentlichen Bestrahlung. Gerade bei erwachsenen Patienten kommt mitunter ein weiterer Punkt hinzu: das Alleinsein. Der Psychosoziale Dienst (PSD) am WPE steuert hier bewusst gegen und versucht, die Betroffenen zu stärken; seit vergangenem Dezember auch mit Unterstützung der Grünen Damen und Herren der Universitätsmedizin Essen (UME).

Die Herausforderung ist groß: Die Patientinnen und Patienten des WPE kommen aus ganz Deutschland und dem Ausland und müssen sich im Zuge der Therapie nicht nur mehrere Wochen in einer fremden Stadt, sondern auch einer fremden medizinischen Einrichtung zurechtzufinden, Vertrauen fassen zu bis dahin unbekannten Menschen. Während Kinder und Jugendliche in dieser Zeit in aller Regel von ihrer Familie, den Eltern oder einem Elternteil begleitet werden, absolvieren Erwachsene die sechswöchige Bestrahlung oft allein und ohne Begleitung durch Angehörige, „allenfalls zur Erstvorstellung oder zur Planung sind Verwandte dabei“, erklärt Psychologin Miriam Maibücher vom PSD-Team des WPE und ergänzt: „Das hat durchaus unterschiedliche Gründe: Der Partner oder die Partnerin können sich beruflich einfach nicht so lange freinehmen oder müssen daheim die Kinder versorgen; manche Patienten sind auch alleinstehend.“ Im Zuge der Pandemie hat sich die Situation darüber hinaus noch einmal verschärft, da in den Einrichtungen der Universitätsmedizin Begleitpersonen und Besucher aus Gründen des Infektionsschutzes nur noch mit Einschränkungen Zugang haben.

All das kann für das seelische Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten eine Belastung darstellen. Maibücher: „Unsicherheit, Angst und das Gefühl, allein zu sein und niemanden da zu haben, der einem in dieser schwierigen Zeit unterstützend zur Seite steht, sind ganz wichtige Themen in der psychosozialen Betreuung. Wobei der Bereich Angst sicherlich sehr großen Raum einnimmt.“ Die Sorgen der Patienten sind dabei sehr heterogen: Es gibt die Angst vor der Bestrahlung, vor einem Rezidiv, vor Metastasen oder dem nächsten MRT-Termin. „Das ist letztlich bei jedem anders. Das Gefühl der Einsamkeit aber kann diese Ängste noch einmal verstärken“, erläutert die Psychologin. Und deshalb sei gerade soziale Unterstützung eine der wichtigsten Ressourcen bei Krebspatienten. Das Konzept des PSD greift daher bereits beim ersten Termin: „Wir versuchen, in einer ausführlichen Anamnese einen Überblick über die individuelle Belastungssituation zu bekommen, um so auch die jeweiligen Möglichkeiten und Bewältigungsstrategien der Patienten einschätzen zu können. Dazu fragen wir auch Informationen über das soziale Netzwerk und die berufliche Situation ab. All das gibt uns oftmals schon gute Anhaltspunkte über die Vulnerabilität der Patienten und erlaubt uns so ein möglichst frühes Eingreifen.“

Aufgefangen werden die Betroffenen dann etwa durch gute Gespräche, in denen Ressourcen gestärkt und gemeinsame Bewältigungsstrategien erarbeitet oder vertieft werden. Auch durch Entspannungsübungen können Stress und Angst reduzieren werden. Und das auch aktuell – unter Einhaltung entsprechender Hygienerichtlinien. „Entscheidend ist, dass die Patientinnen und Patienten ihre Gefühle frei äußern können und merken, dass diese akzeptiert und ernstgenommen werden.“ Eine Haltung, die sich am WPE nicht allein auf die Arbeit des PSD beschränkt: „Das gesamte Team, Ärztinnen und Ärzte, Ambulanz, MRTA, hat stets ein Auge auf das Wohlbefinden der Patienten, auf das physische ebenso wie das psychische. Gerade unsere Ambulanz hat immer ein offenes Ohr und hilft auch schon einmal mit Tipps für einen schönen Ausflug oder nimmt sich einfach mal Zeit für eine Unterhaltung. Natürlich können wir das tägliche soziale Miteinander so nicht vollständig ersetzen. Umso wertvoller ist daher die Unterstützung durch die Grünen Damen und Herren der UME, die wir ebenfalls einschalten können, um den Patienten zusätzliche Angebote machen zu können. Das kann unter Umständen Hilfe beim Einkaufen sein, gemeinsame Spaziergänge oder Telefonate.“ Seit Dezember vergangenen Jahres sind die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer am WPE offiziell im Einsatz – „ein Angebot, über das wir uns riesig freuen“.


Grüne Damen und Herren
Seit über 25 Jahren gibt es den ehrenamtlichen Dienst der evangelischen (und ökumenisch ausgerichteten) Krankenhaushilfe am Universitätsklinikum Essen. Zum Team der Grünen Damen und Herren gehören derzeit 22 ehrenamtlich Helfende: 20 Frauen, zwei Männer. Die jüngste Mitarbeiterin ist 29 Jahre alt, alle übrigen, sagt Koordinatorin Christa van de Sand, gehören zur Generation 60plus. „Wir würden uns freuen, wenn uns auch jüngere Menschen unterstützen würden; nicht zuletzt, um in unserer Arbeit auch noch neue, digitale Ideen zu entwickeln.“
www.gruenedamen.uk-essen.de
Koordinatorin Christa van de Sand Tel.: 0172 745 8569


Christa van de Sand ist Patientenfürsprecherin am UK Essen und koordiniert den Einsatz der Grünen Damen und Herren, die normalerweise auch regelmäßig zu festen Veranstaltungen, etwa DVD-Abenden für stationäre Patienten, ins Westdeutsche Tumorzentrum (WTZ) einladen – „doch wegen Corona mussten wir einiges umstellen.“ Auch die regelmäßigen Besuche der Freiwilligen auf den Stationen ruhen derzeit. Die offiziellen Vorgaben der Universitätsmedizin Essen orientieren sich an einem Inzidenzwert von unter 50 für die Wiederaufnahme. Zum Schutz der Erkrankten, aber auch der – meist älteren – ehrenamtlich Helfenden. „Also haben wir neue Wege gefunden, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen“, resümiert Christa van de Sand. Am WPE wurden erstmals Corona-konforme Spaziergänge ausprobiert, „was sehr gut angekommen ist“.

Außerdem stehen die Grünen Damen und Herren auch für telefonische Gespräche zur Verfügung, wenn dies gewünscht ist. „Diese Idee wird aktuell noch zu selten genutzt. Wenn wir auf die Stationen kommen, ist die Situation einfach eine andere, dann ergibt sich ein Gespräch meist wie von selbst.“ Sich auf einen Spaziergang oder ein Telefonat mit einem prinzipiell fremden Menschen zu verabreden, bedeute dagegen, eine gewisse Hemmschwelle zu überschreiten, „und das fällt nicht allen Patienten immer ganz einfach, obwohl sie aktuell aufgrund der Pandemie noch weniger soziale Kontakte haben, was für viele sehr traurig ist“. Nicht zuletzt in den Abendstunden. „Auch hier versuchen wir telefonische Gespräche möglich zu machen. Wir sind da in der Zeiteinteilung durchaus flexibel.“

Grundsätzlich sieht die Patientenfürsprecherin einen „großen Bedarf“ an sozialer Unterstützung, nicht zuletzt, weil diese durchaus auch Einfluss auf den Erfolg der Therapie habe. „Wir haben sehr schnell gemerkt, dass man am WPE über alle Ebenen hinweg ein großes Interesse auch am psychischen Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten hat, und wir bringen uns hier wirklich gerne ein.“ Weniger als Therapeutinnen oder Therapeuten, sondern einfach als „Menschen wie du und ich, die dazu einladen, einfach mal ein bisschen zu reden, um den Kopf frei zu bekommen und sich mit anderen Dingen zu befassen“.

Zusätzliche ehrenamtliche Unterstützung sei dabei prinzipiell immer gefragt; etwa im Hinblick auf die Ausweitung verschiedener Fremdsprachen. „Auch wäre es auch toll, wenn wir in Sachen Digitalisierung Hilfe von jüngeren Ehrenamtlichen bekommen könnten. In Zeiten wie diesen muss man nach neuen Möglichkeiten suchen, um in Kontakt mit den Patienten zu treten. Unsere Arbeit muss in manchen Punkten einfach anders gedacht werden. Hierbei sind wir ganz offen, und jüngere Menschen könnten uns ganz bestimmt helfen.“