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Übersicht: Erstellt am: 26.11.2019

Es ist einzig in seiner Art in Deutschland: Das Institut für PatientenErleben gestaltet seit September 2017 die digitale Transformation an der Universitätsmedizin Essen mit und fördert insbesondere patienten- und mitarbeiterorientierte Projekte – am WPE etwa die psychoonkologische Begleitung von Krebserkrankten über das System ePOS. Eines der jüngsten Projekte des Instituts: Ein rund fünfminütiger Film über die Universitätsmedizin. Dessen entscheidende Botschaft: Der Mensch steht zu jeder Zeit im Mittelpunkt. Und das sowohl im Hinblick auf die Qualität der medizinischen Versorgung als auch im alltäglichen Umgang mit Patientinnen und Patienten. Monja Gerigk, Leiterin des Instituts für PatientenErleben, erläutert im Interview die zentralen Aufgaben ihres Hauses und die Herausforderungen, die eine „Medizin der Zukunft“ mit sich bringt.

Frau Gerigk, ein Institut, das sich gezielt dem Wohlergehen von Patientinnen und Patienten widmet, das Prozesse des Klinikalltags aus Patientensicht vielleicht sogar neu denkt und konzipiert – warum war das notwendig?
Die Veränderung des Gesundheitssektors durch die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Deshalb macht es Sinn, diese aktiv zum Nutzen der Patientinnen und Patienten zu gestalten und auch im Dialog zu eruieren, was den Patienten wichtig ist und welche Erwartungen und Wünsche sie mit einer Behandlung und einem Krankenhausaufenthalt verknüpfen. Mehr mit den Patienten zu reden als über sie, lautet hier das Motto. Es wird zukünftig eine viel individuellere Medizin für die Bevölkerung geben, und nicht alles, was medizinisch und technisch möglich ist, möchten alle Betroffenen auch im gleichen Maße nutzen. Zum Beispiel möchte ein heute über 70 Jahre alter Mensch nicht von einem Roboter zu Hause gepflegt werden. Das sieht für einen Betroffenen von über 30 Jahren völlig anders aus – er genießt vielleicht sogar die Unabhängigkeit durch die roboterunterstützte Pflege.

Ihre Arbeit ist übergeordnet eingebunden in das Konzept eines Smart Hospitals, das sich gezielt auch die Möglichkeiten der Digitalisierung zunutze macht. Doch ist nicht gerade das „Aufeinandertreffen“ von Mensch und Technik problematisch?
Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine schreitet voran, und wie immer lautet die Frage, welcher Nutzen sich aus dieser Interaktion generiert. Wer möchte heute zum Beispiel noch wirklich dauerhaft ohne sein Smartphone sein, wenn er dessen Vorteile einmal genießen konnte. Menschen ermüden, Maschinen nicht. Und wenn „Maschinen“ oder künstliche Intelligenz helfen, sicherere Diagnosen zu stellen, weil sie nicht übermüdet sind, dann ist das ein Segen für Mitarbeitende und Patienten. Natürlich wird die Maschine nicht die Menschen im Gesundheitssystem ersetzen, sondern unterstützen.

Worin genau bestehen die Aufgaben des Instituts? Sie unterscheiden ja grundsätzlich zwischen wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Projekten.
Als Institut an einer Universitätsklinik gehört das einfach dazu. Forschung, Lehre und die Krankenversorgung gehören zu unseren originären Aufgaben. Grundsätzlich verstehen wir uns als Motor und Mitgestalter eines Kulturwandels hin zu mehr Patientenorientierung im Krankenhaus. Wir unterstützen Kliniken und Bereiche durch Beratung und Coaching und setzen in patienten- und mitarbeiterorientierten Projekten neue Impulse, vor allem im Hinblick auf die digitale Transformation an der Universitätsmedizin Essen, die gezielt den Fokus auf den Menschen legen soll. Dabei bringen wir das Thema PatientenErleben auch bewusst in wissenschaftliche Projekte ein, in die wir etwa ein validiertes Messsystem implementieren.

An welche Zielgruppen richtet sich Ihre Arbeit?
Wir konzipieren und organisieren Veranstaltungen für Patientinnen und Patienten, sind zentrale Anlaufstelle für Selbsthilfeorganisationen, mit denen wir eng zusammenarbeiten, wir präsentieren uns auf Kongressen und in Workshops. Und natürlich richten wir uns auch gezielt an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universitätsmedizin Essen – in den Einführungsveranstaltungen für neue Mitarbeitende, in diversen Schulungen, in Teambesprechungen, über den Newsletter und immer auch im persönlichen Dialog und in unterschiedlichen multiprofessionellen Projekten.

Im aktuellen Film der Universitätsmedizin Essen gehen Sie ganz offen auch mit dem Thema Tod um. Das ist durchaus ungewöhnlich für eine klinische Einrichtung. Warum haben Sie sich für ein solches Konzept entschieden?
Sterben und Tod werden in der Gesellschaft tabuisiert. Wir sprechen viel zu wenig über diesen letzten und unausweichlichen Abschnitt, der ein Teil des Lebens ist. Wenn man sich jedoch mit seiner eigenen Endlichkeit beschäftigt, kann einem bewusst werden, wie kostbar Leben ist und dass es gilt, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. In Imagebroschüren über Krankenhäuser „stirbt man nicht“. Wir haben deshalb bewusst keinen Imagefilm gedreht, sondern zeigen in den Aufnahmen verschiedene Erlebenswelten von Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen.

Der Film zeigt in Szenen aus dem WPE gerade auch die jungen Patienten der Klinik für Partikeltherapie, zeigt Mutperlenketten, aber auch den virtuellen Spielplatz. Ist ein patientenorientierter Klinikalltag gerade bei Kindern und Jugendlichen eine besondere Herausforderung?
Auf jeden Fall. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Auf Grund der altersbedingten physiologischen und psychologischen Entwicklungsstufen benötigen Kinder- und Jugendliche sowohl liebevolle, geduldige und altersgerechte Zuwendung und Trost, als auch eine sehr gute Krankenbeobachtung, da etwa im Säuglingsalter Schmerzen und Unwohlsein nur über Unruhe und Weinen artikuliert werden können. Und wir haben viele Möglichkeiten durch Spiel und Spaß Entspannung und Freude in den Alltag der Kinder und Jugendlichen zu bringen – trotz schwerer Krankheit.

Stehen weitere Projekte mit dem WPE an?
Ja, aktuell arbeiten wir gemeinsam daran, eine Kooperation zur Betreuung von Geschwisterkindern aufzubauen. Wenn ein Kind erkrankt ist, fordert dies gerade in der akuten Phase der Therapie natürlich die volle Aufmerksamkeit der Eltern, die das Kind in der schweren Zeit bestmöglich betreuen, begleiten und unterstützen möchten. Mit unserem geplanten Angebot möchten wir die Eltern entlasten, indem wir ausgebildete Personen vermitteln, die sich während der Behandlung am WPE um die Betreuung der Geschwisterkinder kümmern – egal ob spielen, reden oder vorlesen. So haben die Eltern zumindest zeitweise eine Sorge weniger und auch das Geschwisterkind fühlt sich wahrgenommen und aufgehoben. Eine Besonderheit des WPE ist ja auch, dass viele der kleinen Patientinnen und Patienten mit ihren Familien viele hundert oder sogar tausende Kilometer anreisen und über mehrere Wochen zur Behandlung in Essen sind. Oft fehlen also schlicht auch vertraute Personen in der neuen Umgebung, die die Aufsicht und Betreuung übernehmen könnten.

Weitere Informationen: www.patientenerleben.de
Link zum Film der Universitätsmedizin:  https://www.youtube.com/watch?v=ABu-R7LSTRM