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Übersicht: AktuellesErstellt am: 25.07.2020

Lässt sich die Notwendigkeit einer Sedierung zur Strahlenbehandlung von Kindern besser einschätzen, wenn man vorab ihr Verhalten und ihre Trennungsangst beurteilt? Dieser Frage geht derzeit eine psychodiagnostische Pilotstudie nach, die die Klinik für Partikeltherapie am WPE gemeinsam mit dem Institut für Psychologie der Universität Duisburg-Essen initiiert hat. Das Ziel: Die Anzahl der Bestrahlungen in Sedierung bei jungen Patienten langfristig zu reduzieren.

Seit seiner Eröffnung legt das WPE einen besonderen Schwerpunkt auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Mittlerweile ist das kinderonkologische Bestrahlungsprogramm des WPE einzigartig – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und sogar weltweit. Dazu gehört, dass nirgendwo sonst so viele und gerade sehr junge Kinder bestrahlt werden. „Die Strahlentherapie ist oftmals ein elementarer Bestandteil der Behandlung von Tumoren im Kindesalter. Umso wichtiger ist es, dass wir möglichst optimale Verhältnisse schaffen und die Belastungen für die jungen Patienten so gering wie möglich halten. Das gilt insbesondere in Hinblick auf eine Anästhesie“, sagt Prof. Dr. Beate Timmermann, Direktorin der Klinik für Partikeltherapie und ärztliche Leiterin des WPE. Die Entscheidung zur Sedierung darf nicht vorschnell erfolgen. So gehen im WPE deshalb immer eine individuelle Anamnese sowie eine Empfehlung des hauseigenen Psychosozialen Dienstes (PSD) voraus. Prof. Timmermann: „Oftmals lassen sich die Kinder spielerisch an den Behandlungsablauf heranführen, und wir können auf eine Sedierung verzichten. Tatsächlich ist jedoch eine exakte, über den gesamten Bestrahlungszyklus stets gleiche Lagerung der Patienten essenziell für den Erfolg der Therapie. Und längere Zeit absolut stillzuliegen, ist gerade in diesem Alter, also unter sechs bis etwa sieben Jahren, nun einmal schwierig. Dies gilt insbesondere unter erschwerten Bedingungen, das heißt ohne Eltern in einer vollkommen fremden Umgebung, die vielleicht sogar Angst macht.

Die Pilotstudie „Impulskontrolle und Explorationsverhalten als Prädiktoren für die Notwendigkeit einer Sedierung pädiatrischer Patienten während der Strahlentherapie“ setzt genau hier an – und könnte Ärzten und den Mitarbeitenden des PSD künftig ein weiteres, wichtiges Instrument an die Hand geben, um die Notwendigkeit einer Sedierung besser einschätzen zu können. Der Vorteil: Bei Kindern, die eine Sedierung benötigen, kann im Behandlungsvorfeld unnötiger Stress vermieden werden. Und Kinder, die keine Sedierung brauchen, können rascher und gezielt auf die anstehende Behandlung vorbereitet werden. „Dazu untersuchen wir einerseits, inwieweit das Kind in der Lage ist, unbedachtes Reagieren auf Außenreize oder innere Impulse zu unterdrücken, und andererseits, wie groß seine Bereitschaft ist, ungewohnte Situationen zu meistern und dabei auch kurzzeitig auf die Anwesenheit von Bezugspersonen zu verzichten“, erläutert Psychologe Andreas Wiener vom PSD. Prof. Timmermann ergänzt: „Es gibt nicht viele Orte, an denen solche Studien durchgeführt werden können, weil man die entsprechenden Patienten gar nicht regelmäßig sieht. Bei uns in Essen haben wir so viele solcher Fälle, dass die Klärung solcher Themen zum wichtigen Auftrag, ja zur Verpflichtung wird“.

Ergänzend zur Vorbereitungsroutine durch den PSD absolvieren deshalb insgesamt 30 Kinder zunächst im Rahmen einer Pilotstudie jeweils einmalig einen Computertest zur Impulskontrolle, in dem ihre Reaktionen auf visuelle und akustische Reize ermittelt werden. Zusätzlich werden die Eltern mittels Fragebogen um eine ergänzende Verhaltensbeurteilung gebeten. „Diese Daten haben allerdings vorerst keinen direkten Einfluss auf den Therapieverlauf der untersuchten Kinder. Die Entscheidung, ob eine Sedierung notwendig ist, wird aktuell auch bei den Studienteilnehmern individuell und unbeeinflusst durch Informationen aus dem Pilotprojekt getroffen“, erklärt Prof. Timmermann. Erst nach Abschluss der jeweiligen Therapie wertet das Institut für Psychologie die Ergebnisse aus – und setzt sie in Relation zum eigentlichen Behandlungsablauf und zu tatsächlich erfolgten Sedierungsentscheidungen. Wiener: „Die Studienteilnehmer helfen uns also dabei, den Zusammenhang zwischen Impulskontrolle, Explorationsverhalten und der Notwendigkeit einer Sedierung besser zu verstehen – und später künftigen Patienten die Behandlung auf diese Weise zu erleichtern.